Grundprinzip der Astronavigation

Auf den ersten Blick scheint es ziemlich schwierig zu sein, allein aus Beobachtungen von Himmelskörpern die geographische Position des Beobachtungsortes abzuleiten. Dem ist aber gar nicht so. Das Grundprinzip ist ziemlich einfach und kann in wenigen Minuten nachvollzogen werden:

Man kann die Höhe eines Himmelskörpers, d.h. den Winkel zwischen dem Himmelskörper und dem Horizont, sehr genau messen (der Azimutwinkel kann dagegen mangels einer geeigneten Referenzrichtung nicht sehr genau bestimmt werden und ist deshalb nicht verwendbar). In der Praxis verwendet man dazu einen Sextanten.

Auch der Zeitpunkt der Messung kann sehr genau bestimmt werden. In der Praxis verwendet man dazu eine genaue Uhr (Schiffschronometer), die während der gesamten Reisedauer möglichst genau die Zeit (genau genommen UT1) angibt.

Außerdem muss die geographische Position des Bildpunktes des beobachteten Himmelskörpers bekannt sein. Der Bildpunkt ist der Punkt auf der Erdoberfläche, der genau unter dem Himmelskörper steht; oder umgekehrt: der Punkt auf der Erde, für den der Himmelskörper genau im Zenit steht.
In der Praxis verwendet man dazu Ephemeriedentabellen aus einem nautischen Almanach. Mit Hilfe eines nautischen Almanachs kann für die relevanten Himmelskörper (Sonne, Mond, die Planeten Venus bis Saturn sowie einige ausgewählte Sterne) der Bildpunkt für jede beliebige Beobachtungszeit bestimmt werden.

In den folgenden Schritten ist erklärt, wie aus den Daten Höhe über dem Horizont und Bildpunktposition von jeweils zwei oder drei Beobachtungen (verschiedener Himmelskörper oder eines Himmelskörpers zu verschiedenen Zeiten) die Position des Beobachters bestimmt werden kann:

Messung der Höhe h eines Himmelskörpers

Am Beobachtungsort wird die Höhe h eines Himmelskörpers (z.B. Sonne, Mond, Planet, Stern) über dem Horizont gemessen. Der Azimutwinkel spielt keine Rolle.

Die Zenitdistanz ergibt sich aus der Höhe: z = 90° - h

Für die weitere Betrachtung ist es hilfreicher anstatt der Höhe h über dem Horizont, die Zenitdistanz z zu betrachten. Die Zenitdistanz ist der Winkel zwischen der Richtung zum Zenit am Beobachtungsort und der Richtung zum Himmelskörper.
Beide Winkel können einfach ineinander umgerechnet werden:
z = 90° - h bzw. h = 90° - z.
Der Zenit befindet sich in der Richtung senkrecht über dem Beobachtungsort. Die entgegengesetzte Richtung, d.h. zum Nadir, führt genau zum Erdmittelpunkt.

Die Zenitdistanz ist gleich der Entfernung zwischen Standpunkt und Bildpunkt des Himmelskörpers

Aus einer Entfernung betrachtet, die die gesamte Erde ins Blickfeld rückt, sieht die Situation so aus.
Außerdem ist noch der sogennannte Bildpunkt des Himmelskörpers eingezeichnet. Er ist der Ort auf der Erdoberfläche, an dem die Verbindungslinie zwischen Erdmittelpunkt und beobachteten Himmelskörper durch die Erdoberfläche tritt (Am Bildpunkt befindet sich der Himmelskörper im Zenit).
Betrachtet man beide Richtungspfeile zum Himmelskörper als parallel, tritt der Zenitwinkel auch als Winkel mit Scheitel im Erdmittelpunkt zwischen Beobachtungsort und Bildpunkt auf.

Anmerkungen: Die Richtungspfeile können natürlich nur näherungsweise parallel sein, da sie sich ja im Himmelkörper treffen müssen. In der Praxis ist der Fehler für alle Himmelskörper, die weiter als die beiden nächsten Planeten Venus und Mars entfernt sind, vernächlässigbar.

Die Höhenmessung eines Himmelkörpers liefert als Standlinie einen Kreis um den Bildpunkt des Himmelkörpers mit Radius z

Die Situation ist rotationssymmetrisch zu der Achse, die vom Erdmittelpunkt zum beobachteten Himmelskörper führt. Aufgrund dieser Rotationssymmetrie befinden sich alle Beobachtungsorte, an denen die selbe Zenitdistanz z gemessen wird, auf einem Kreis, dessen Mittelpunkt der Bildpunkt und dessen Radius gleich die Zenitdistanz z ist.
Man nennt den Kreis die Standlinie zu der gemessenen Höhe, da sich der Standort des Beobachters irgendwo auf dieser Linie befinden muss.

Die möglichen Standpunkte ergeben sich aus den Schnittpunkten der Standlinien (Kreisen) zweier Höhenmessungen

Da eine Messung also nur die Information liefert, dass sich der Standort irgendwo auf dem Kreis befindet, muss eine zweite Messung durchgeführt werden, die einen weiteren Kreis als Standlinie liefert.
Da sich der Standort auf beiden Standlinien befinden muss, hat man die möglichen Orte auf die beiden Schnittpunkte der beiden Kreise reduziert.
Welcher von beiden Schnittpunkten der tatsächliche Standort ist, lässt sich in der Regel leicht entscheiden, da sie meistens mehrere hundert Seemeilen voneinander entfernt liegen und nur einer plausibel ist.
Eine eindeutige Bestimmung des Standortes ist durch eine dritte Höhenmessung möglich

Bestimmt man noch einen dritten Standkreis aus einer dritten Höhenmessung, kann damit der Standpunkt eindeutig als der gemeinsame Schnittpunkt aller drei Kreise ermittelt werden.

Anmerkung: In der Praxis ergeben sich aufgrund von Messungenauigkeiten drei nahe beieinanderliegende Schnittpunkte jeweils zweier Kreise. Als Standpunkt wählt man dann den Schwerpunkt des durch diese Punkte aufgespannten Dreiecks. Die Größe und Orientierung dieses Dreiecks geben einen gewissen Aufschluß über die Meßungenauigkeit des ermittelten Standpunktes.